Während es am ‚Tag von Potsdam‘ in Eschwege zu großen Feierlichkeiten gekommen war, identifizierten sich die Eschweger Bürger in der Zeit davor nicht so stark mit ihrem Staat. Der Landrat schrieb beispielsweise über den zehnten Jahrestag der Verfassungsfeier der Republik, 1929, dass die Veranstaltungen schlecht wahrgenommen wurden und sogar nur 5-6 Häuser aus diesem Anlass beflaggt waren.[1]Karl Kollmann: Eschwege in den Jahren der Weimarer Republik. In: Stadt Eschwege (Hg.): Geschichte der Stadt Eschwege, Eschwege 1993, Seite 147
Ganz anders hingegen wurde der ‚Tag der Arbeit‘ 1933 begangen. Das Eschweger Tageblatt berichtete von „einer Einmütigkeit und Geschlossenheit, wie wir sie nur bei dem großen Aufbruch der Nation in den Augusttagen des Jahres 1914 erlebt haben“.[2]Eschweger Tageblatt, Nr. 101, 02.05.1933
Die Nazis beriefen sich gerne auf diese nationale Schiene, damit setzten sie genau an den Überzeugungen an, die auch schon von den unzähligen Kriegervereinen geprägt wurden. Diese hatten sich vermutlich nicht mal als Ziel gesetzt, die Nazis zu stützen, lieferten aber einen guten Nährboden.
Dies zeigt sich auch an der Errichtung des Ehrenmals der Toten des 1. Weltkrieges. Die Errichtung war nach dem Krieg immer wieder verschoben worden, es hieß, aus finanziellen Gründen. 1927 wurde dann ein Entwurf ausgesucht und der Bau beschlossen. Am 24. Juni fand die Einweihung des Denkmals unter großer Beteiligung der Bevölkerung, der Kriegervereine und von Angehörigen der Gefallenen statt.[3]Winfried Speitkamp: Eschwege: Eine Stadt und der Nationalsozialismus, Marburg 2015, S. 44
Auch das Johannisfest hatte in dieser Zeit eine besondere Bedeutung.
Das Fest wurde in der Krisenzeit der Weimarer Republik mit Funktionen der lokalen Integration versehen. Die Besinnung auf die Eschweger Bürgergemeinschaft wurde in den Vordergrund gerückt.[4]Winfried Speitkamp: Eschwege: Eine Stadt und der Nationalsozialismus, Marburg 2015, S. 43-44
Doch auch für die Nazis spielte das Fest nach ihrer Machtübernahme eine Rolle. Es sollte als Vorbild für „die große Volks-und Schicksalsgemeinschaft aller Deutschen“ stehen, man hoffte, dass „aus tiefer Liebe zur Vaterstadt und zur engeren Heimat dann von selbst die Liebe zum großen deutschen Vaterland erwachsen“ werde.[5]Klasse 10 c der FWS (Hg.): Rückspiegel. Eschwege - Eine Stadt wird braun. Eine Zeitung über den Nationalsozialismus aus heutiger Sicht reflektiert, Eschwege Mai/Juni 1997
Und auch hier waren mit ‚allen Menschen‘ die Juden nicht gemeint, wir wurden schon 1933 von dem Johannisfestumzug ausgeschlossen.
Doch hätten die Eschweger diese Entwicklungen hinnehmen müssen, oder wollten sie es?